Mittwoch, 16. April 2014

Dehydriert: Hitze und Tempelbesuch in Khajuraho

Nach recht angenehmer Zugnacht mit dennoch wenig Schlaf erreiche ich den Bahnhof gegen 5.30 h und wieder brauche ich für die 8 km entfernte Ortschaft das Motorrikscha-Taxi.


Narajan, 25 Jahre alt, nimmt mich zum Sondertarif mit - der schweigsame Ungar neben mir zahlt angeblich das Dreifache. Natürlich hat er zum Sondertarif auch gleich ein Hotel (daher der Sondertarif ; ) parat - so lande ich im 'Marble Palace'. Für 300 Rupies die Nacht ist es sauber und ruhig - allerdings ohne Tageslicht-Fenster etwas düster und stickig.

Um 7.00 h gehe ich gleich los auf Entdeckungstour zu den Tempeln der Chandella-Kultur aus dem 10. Jahrhundert. Afghanische Eroberer aus dem Norden beschleunigten den Niedergang dieser Kultur. Im 16. Jahhundert waren die Tempel überwuchert und vergessen. Wiedermal die Engländer entdeckten sie 1838 im Dschungel verborgen und erweckten sie restauratorisch zu neuem Leben.


Heute ist das fernab des touristischen Hauptstroms liegende Khajuraho zwar erschlossen, aber noch immer staubig verschlafen und überschaubar klein;aber dennoch mit unglaublichen 50 Shops, die alle Schals, Kleidung, Bronze-Figuren, Steinfiguren im Kleinformat und vieles mehr verkaufen. Für 250 Rupies Eintritt erhalte ich Zugang zu den sieben Tempeln der Westgruppe, die in begrünter Anlage vobildlich restauriert sind.
 

Die filigran gearbeiteten Sandsteinfiguren bestechen durch ihren Detailreichtum und die Fachwelt streitet über die Aussage der erotischen Darstellungen: Einige sehen hier das Kamasutra als Liebesanleitung in Stein dargestellt - andere vermuten, die Götter sollten mit diesen Darstellungen in Wohlgefühl und Milde versetzt
werden.



Für die Engländer des viktorianischen Zeitalters waren die Figuren 'extrem unsittlich und Anstoß erregend'; wobei sie dennoch die 'künstlerisch meisterhafte Ausfertigung' lobten. Mir persönlich gefällt vor allem die harmonische fünfstufige Grundform der Stupas mit der ornamental geschmückten Dachform.




Die sich gummiartig verrenkenden Körperformen der Menschen wirken auf mich eher belustigend und haben in ihrer Wiederholung und auf Grund ihrer Friesanordnung etwas Comichaftes an sich. Die Frauen sind jeweils mit bocchiakugelrunden Brüsten, Wespentaille und runden Hüften ausgestattet - die Männer mit Kopfschmuck und unübersehbarem Penis.

 


 




 


Gegen 11.30 h bin ich zur Zimmersiesta zurück und leihe mir 4 Stunden später ein Fahrrad, mit dem ich die Ostgruppe am anderen Ende des Dorfes erkunde. Viele Läden sind geschlossen und auf den Straßen tobt das junge Volk mit riesigen Lautsprecher-Wagen, aus denen eintönige 'Gangnam-Style'-Musik wummert und pinkfarbene Farbpulver geworfen werden, denn heute ist der letzte Tag der neuntägigen Hindu-Fastenzeit: Rama-Festival.

 

Im Dorf selbst sehe ich noch ruhigere Zeremonien, wo Leute mit Life-Gesang, Trommeln und Grasschmuck-Körben durch die Straßen ziehen. Ich fühle mich müde und ein Schmerz in der linken Nierengegend nimmt mir immer wieder fast die Luft. Eine kalte Sprite leere ich in einem Zug - Hunger habe ich nicht. Nachdem ich pflichtschuldigst auch die zwei östlichen Tempel erradelt habe, beschließe ich zurückzuradeln und mich zu erholen.


Eineinhalb Stunden im Zimmer - eine Dusche - Hitze-, Kältewellen - die Schmerzen werden schlimmer; auf die Toilette kann ich gar nicht. Eine ganze Nacht mit diesen Schmerzen ... ? Um 19.30 h frage ich an der Rezeption nach einem Arzt und der gute Narajan fährt mich auf seinem Motorrad hin. Dr. Gupta beruhigt mich - ich habe Angst erneut Nierensteine zu haben - und verschreibt mir Antibiotika, Vitamine, Elektrolythe und jede Menge Wasser - mindestens 5-6 Liter täglich solle ich trinken - es sei heute 42 Grad Celsius heiß gewesen !
Tatsächlich hatte ich die letzten 24 Stunden höchstens 2-3 Liter getrunken, denn nachts mit Handgepäck und Krücke auf die rüttelnde Zugtoilette zu gehen,  ist absolut kein Spaß !

 Nur der Arztbesuch hat merkwürdigerweise schon die Schmerzen vertrieben - Narajan führt es auf sein 'Magic Motorbike' zurück ; ) Er nimmt mich mit zu einem Freund zum Abendessen, wo ich noch immer nicht hungrig ein bisschen Thali mit Chapati esse. Begeistert erzählt er mir von seiner Freundin aus Amsterdam, die er seit zehn Jahren kennt und die ihn jedes Jahr einmal besuchen kommt. Morgen erwartet er sie - zehn Tage wird sie bleiben - nein, heiraten will er sie nicht - zu kompliziert - er wolle gar nicht heiraten - zu wenig Freiheit. 
Zurück am Hotel - eingedeckt mit Medikamenten - lasse ich mir heißes Wasser für einen Blasen- und Nierentee bringen und lenke mich mit Schreiben von der nächsten Schmerzattacke ab. Erst gegen Mitternacht finde ich Schlaf - als ich erwache, ist es 9.30 h.

Viiiiel trinken !

Ich fühle mich besser, gehe frühstücken, nehme Medikamente, trinke viel und vertrödele den Tag mit viel Ruhe im Hotel. Abends esse ich im Hotel-Restaurant 'Ganesha' ein 'Chicken Masala', das wie so oft hier überwiegend aus Knöchelchen, maximal 12 Gramm Hähnchenfleisch und reichlich Sauce besteht. Chef Pradeep, 35 Jahre unverheiratet,der sonst nichts zu tun hat, gesellt sich zu mir. Wir plaudern zwei Stunden über Gott und die Welt - er würde mir am nächsten Tag gerne mit dem Motorbike die 25 km entfernten Wasserfälle zeigen; aber ich winke dankend ab - für Rinnsale in der Trockenzeit fahre ich nicht in der Hitze spazieren. Er drängt mir seine Karte auf und möchte mich in Orccha treffen - eher nicht, denke ich und verabschiede mich freundlich, aber bestimmt. Wieder so ein selbsterwählter indischer Junggeselle, der sich langweilt ; )

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