Montag, 7. April 2014

Bodhgaya: Bodhi, Banyan, Bettelbrüder






Mit Karma

beim Morgen-Chai

Aus der Motorrikschaschlacht am Bahnhof gehe ich gefühlt als Sieger hervor: Für 50 Rupies (statt der anfangs geforderten 300 ! - Einheimische zahlen 30) fahre ich mit drei Damen eigezwängt und mit mehreren Zwischenstopps und wechselnden Passagieren los ins 12 km entfernte Bodhgaya.
Als der Fahrer mich vor dem Zentrum rausschmeißen will, weil eine Straßensperre 'oneway' fordert - und er nicht gegen die Einbahnstraße fahren darf - ich könne eine Fahrradrikscha nehmen ! -bleibe ich total entspannt: Ich drücke ihm 30 Rupies in die Hand und will gehen.

 

Als er 50 fordert, sage ich, ja, 50 zum Mahabodhi-Tempel ... - wortlos schmeißt er meinen Rucksack wieder rein und fährt mich über eine staubige Holperstraße im Halbkreis zum Hauptplatz am Tempel - geht doch  - ein innerliches Freudenfest ! Keine 20 m vom Platz in einer kleinen Straße tue ich mit dem 'Happy Guesthouse' einen Glücksgriff: Günstig, relativ ruhig und zentral gelegen, weiches Bett, WiFi im Zimmer - was will frau mehr !


Die nächsten zweieinhalb Tage vergehen wie im Flug, denn ich treffe Lakshman, 27 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, Chairman der 'Sarswati School for poor children'. Er will sein Karma aufbessern, indem er diesen Kindern, die sonst keine Schulbildung bekämen, eine Schule baut und dafür sucht er Sponsoren. Er fährt mich mit seinem Motorrad - ich sitze im Damensitz, die Krücke ruht an der rechten Seite entlanggsetreckt auf seinem Lenker - zunächst zum 'Sujata Kuti' dem heiligsten Ort hier überhaupt: In meinen Augen ein überdimensionaler Backsteinhaufen - in Wirklichkeit natürlich der Rest eines ehemals riesigen sehr alten Stupa, das irgendwann von den Muslimen zerstört, von einem Engländer namens Cunningham wiederentdeckt und nun als Pilgerstätte für Tausende buddhistischer Pilger von Bedeutung ist.

Sujata Kuti
Dann zeigt er mir seine Schule mit lauter blaubehemdeten Kindern zwischen 4 und 11 Jahren, die in winzigen Räumen zu 20 bis 30 am Boden sitzen - bei meinem Eintreten hopsen sie alle auf und begrüßen mich im Chor - sie sind offensichtlich darauf trainiert ihre Sponsoren so zu begrüßen.



 
 
Er will mich noch weiter herumfahren - aber ich muss ihm langsam die Illusionen nehmen: Gerne bekommt er einen kleinen Betrag; aber ich sei an einer Art Briefaustausch zwischen unseren Schulen interessiert - in diesem Rahmen könne ich später auch eine Spendenaktion anleiern.
Er ist mir dennoch behilflich ein Fahrrad auszuleihen, mit dem ich dann den ganzen Tag die verschiedenen Tempel und Klöster abradele.


 

Wunderschön ist der bhutanesische Karma Tempel mit den fantastischen Deckenmandalas. Es gibt einen vom Dalai Lama 1989 eingeweihten Big Buddha, ein Tibetisches Kloster, einen Thai Tempel und natürlich den großen Mahabodhi Tempel, an dessen Rückseite der heilige Bodhi-Baum wächst (ein Ableger des Originals). Wie die Kinder warten hier die Mönche, dass ein Windstoß ein paar frische Bodhi-Blätter vom heiligen Baum holt, die sie dann freudig einsammeln.




Mit dem Fahrrad kann ich alles erkunden ohne zu schnell zu ermüden.
Der Markt hinterm Mahabodhi Tempel bietet viele Fotomotive und die Stimmung im Tempel vor Sonnenuntergang ist sehr friedlich.
Ich sehe Nonnen aus Myanmar, Mönche aus Tibet und Thailand in großen Gruppen, japanische Zen-Mönche, Inder - der einzige Europäer, den ich treffe, ist Pole und seit 10 Jahren auf Reisen.


Einige Gläubige vollführen hinten im Garten diese buddhistischen Ganzkörperniederwerfungen: Mit Hilfe von 'Topflappen' auf den Rutschbrettern und Kniepolstern wiederholen sie diese Übungen bis in Bauchlage und über die Knie hochkommend wieder bis zum Stand, dabei Gebete murmelnd, unzählige Male. Zwischen kleinen Stupas spielen Hunde und Mönche meditieren im Schneidersitz.




Vor allen Tempeln sitzen oder stehen vor allem alte Mütterchen und zahnlose Greise und betteln - oft sehe ich Opfer von Kinderlähmung mit gummiartig verbogenen verkrüppelten Beinen - habe ich Kleingeld bei mir, gebe ich jedem dritten ein 2 Rupie-Stück - es sind einfach zu viele ... - fotografieren kann und will ich sie nicht.
Abends bringe ich das Fahrrad zurück, trinke mit Lakshman noch einen Chai und verabrede mich mit ihm morgens um 8.30 h. Er bringt mich 2 km raus aus der Ortschaft zu einem 400 Jahre alten Banyan-Baum (Gummibaum) - der größte und schönste, den ich je gesehen habe - unglaublich, dass er hier einsam mitten im Feld steht.



Das Dorf, das wir auf dem Weg durchfahren ist das ärmlichste, was ich seit langem gesehen habe: Lehmhütten mit Dungfladen an den Wänden zum Trocknen; sie werden getrocknet als Brennmaterial verwendet. Abgerissene schmutzige Kinder auf staubigen Wegen, Abwässer zwischen den Hütten - relativ wenig Müll immerhin.

 
In seinem Dorf lerne ich kurz seine Frau - eine arrangierte Heirat - er wirkt nicht sehr verliebt - und seine Mutter kennen. Sie wohnen zur Miete für 3000 Rupies monatlich - ein Lehrer verdient hier 4000 ... - das Zimmer, in dem er mit seiner Frau und zwei Kindern wohnt, ist ca. 3x4 Meter groß und enthält ein großes Bett, einen Schrank und eine Kommode. Einen Wohnraum gibt es wohl nicht, denn der Chai wird mir auf dem Bett sitzend serviert. Gerne würde ich ein Familienfoto schießen, möchte aber nicht danach fragen.


Zurück vorm Guesthouse möchte er mir doch noch gerne eine Tür für sein in Bau befindliches Schulgebäude aus dem Ärmel leiern (8000 Rupies, ca. 100 Euro); aber ich vertröste ihn auf den Herbst und bedanke mich für seine Hilfe.


Ich schreibe viel nachmittags und gehe abends ins gemütliche 'Shiva' mit Blick auf den Marktplatz essen. Der Zug nach Varanasi geht um 4.30 h oder um 14.30 h am nächsten Tag. Beides nicht gerade günstige Abfahrtzeiten - aber so ist es nun mal.
Bodhgaya hat mir gut gefallen - meine Laufstabilität nimmt langsam zu - alles ist gut - auf nach Varanasi !

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen