Samstag, 28. September 2019

Waldesstille unter Zedern: Kumano Kodo - eine Wandererfahrung am japanischen Pilgerweg


Die Zugfahrt von Kyoto über Osaka nach Kii-Tanabe, dem 'Tor' zum 'Kumano Kodo' dauerte vier Stunden und war zu Beginn aufreibend, denn aufgrund einer falschen Auskunft verpasste ich den Zug nach Osaka und musste das Anschlussticket tauschen.
Letztlich bin ich gegen Mittag in Kii-Tanabe, wo ich sofort Infos zum Pilgerweg sammle - es gibt ein Visitor-Center, englischsprachig - eine teure Übernachtung am Weg im 'Blue Sky Guesthouse' in Hongu Taisha buche, sowie einkaufe und einen Strandbummel im Ort unternehme.




Das 'Buddha Guesthouse' ist gemütlich und noch kleiner, als das 'Grateful'.
Gleich vor der Tür gibt mir ein Spanier Tipps zur Wanderstrecke - er ist die kompletten 78 km in zwei Tagen gelaufen - Hut ab; andere Trainingsklasse !
Ich lande im ersten Stock, wo ich mir mit zwei Japanerinnen einen Raum teile und dort meine Bettrolle auf dem Boden ausbreite. Alles ist mit Papierwänden abgetrennt - die Australier nebenan sind sich dieses Geräuschproblems erst bewußt, als ich die Papierwand um 22.00 h beiseite schiebe und um etwas leisere Gesprächsführung bitte.






Früh um 6.25 h nehme ich den 'Ryujin-Bus' nach 'Kurisagawa', einem Dorf zu Beginn des Weges.
Der Weg geht bergan durch wunderschönen Zedernwald vorbei an 5 kleinen Schreinen, aber fast unberührt von Wanderern; zumindest treffe ich auf der Strecke von neun Kilometern nur einen einzigen. Andererseits treffe ich 'Ninjia-Toads' - Faustgroße Kröten des japanischen Zedernwaldes, sowie seine kleinen Verwandten.





An den Mini-Schreinen gibt es Stempelstellen und Informationstafeln - es ist sehr ruhig, ein leichter Wind weht zur Schweißtrocknung und ich vergesse, dass eigentlich Regen angesagt ist beim Anblick der hohen Zedern und des grünen Farns am Wegesrand.






 




















Nach 4 Stunden erreiche ich bei der 'Michi-no-Eki' - Rest Area den 'Busstop' und habe 45 Minuten Zeit mein mitgebrachtes Essen zu verzehren.

























Fast eine Stunde Busfahrt, während der es regnet, bringen mich nach 'Yunomine', einem Dorf mit 'Onsen'. Neben dem Tempel dampft das kleine schwefelhaltige Flüsschen mit 90 Grad Celsius heißem Wasser; es gibt Becken zum Kochen von Eiern. Zum Schnäppchenpreis von ca. 2.- Euro setzte ich mich in das 'Public Bath' des Onsen - ich bin die Einzige - und fühle mich nach 15 Minuten 'weich gekocht' wie ein rohes Ei.





































Der Regen hat aufgehört und erfrischt, aber mit weichen Knien, nehme ich die steilen 3,3 km über den 'Dainichi-goe'- Weg nach 'Hongu-Taisha' in Angriff.



Gegen 16.00 h erreiche ich dort mein Guesthouse - von 'blue sky' leider keine Spur - schwarze Wolkenberge türmen sich, aber derzeit bleibt es trocken. Ich besorge etwas zum Abendessen und genieße mein Luxuszimmer mit Platz, eigenem Bad und Holzterrasse. Auch für 8.600 Yen/ 72.- Euro die Nacht muss ich meine Bettrolle selbst aus dem Schrank ziehen, aufrollen und mit Bettzeug belegen.






Überhaupt ist die Zimmereinweisung köstlich: Ein junger Mann begrüßt mich mit Namen an der Haustür - Zettel ausfüllen - 'May I introduce you in your room ?' - mit Verbeugung und auf beiden Handflächen ausgebreitet dargereichtem Schlüssel wird mir erklärt, was ich darf (Bett selbst aufbauen), unterlassen sollte (Zimmer offen lassen) und sofort erledigen muss (Frühstücksuhrzeit festlegen; zur Wahl steht 7.00 oder 7.30 Uhr) - anschließend bin ich entlassen … - äh, darf ich den jungen Mann entlassen, der sich rückwärts verbeugend entfernt - Uff !








Nachts regnet es; ohne AC bei offener Terrassentür schlafe ich prächtig.
Ein wenig blitzt die Sonne beim Frühstück durch, da wird mir mitgeteilt, es werde das ganze Wochenende regnen und nächste Woche sei ein Taifun im Anmarsch, ich solle die Notfallwarnungen im TV verfolgen - aha !



Ich bin froh mich auf den Weg zu machen - ein kleiner blauer Himmelsfleck ist sichtbar - schaue mir den schönen 'Hongu Taisha'- Tempel an und beginne die neue Wanderstrecke entlang der 'Nakahechi-Route' rückwärts, also sanft bergan gehend.

















Ein schöner Ausblick ins Flusstal zum größten 'Torji' Japans, weitere Schreine am Wegesrand - um 11.00 h erreiche ich nach nur gut 7 km den 'Hosshinmon-oji' - übersetzt das Tor zum spirituellen Erwachen', wo ich die nette Australierin aus dem Visitor-Center wieder treffe.











Gerne würde ich noch weiter wandern, aber ein großer Hangabsturz beim Taifun 2011 hat das Wegeterrain zerstört - die Umgehung per Straße ist unattraktiv - die nächste Bushaltestelle erst in
10 km verfügbar; dann bekäme ich aber den letzten Bus zurück nicht mehr ….
Also plaudere ich mit Wanderern, die hier häufiger zu sehen sind, weil es wegen des 'Hongu-Taishi' als Königsetappe bekannt ist und nehme den Bus um 12.25 h zurück, der nervtötende 2 Std.20 für
60 km zurück nach Kii-Tanabe benötigt, weil er jeden Onsen anfährt und Schleifen durch die Käffer dreht. Stolze 2.290 Yen zahle ich beim Aussteigen.



Als ich kurz darauf im Buddha Guesthouse beginne meinen blog zu schreiben, höre ich draußen den Regen einsetzen. Ich bin zufrieden:
Ich habe trotz mieser Vorhersage keinen Tropfen Regen abbekommen und habe Stille und Wanderung sehr genossen - dass mir der Weg weder mystisch noch spirituell erschien - was soll's ….
Die Kosten-Nutzen-Rechnung fällt ungünstig aus: Über 4 Stunden Busfahrt für ca. 35.- Euro und ca. 8 Stunden wandern auf zwei Tage verteilt - naja, günstig und spirituell - dafür muss ich dann eben wieder nach Spanien gehen ; )








Mittwoch, 25. September 2019

Kyoto: Stadt der tausend Tempel

Die letzten heftigen Regenfälle eines Taifun geleiten mich um 22.00 h zum Nachtbus
'Premium Dream', der auf die Sekunde pünktlich abfährt - unterwegs leider vier Mal anhält, ausgesprochen gruftartige, (Vorhangabtrennungen zwischen den Sitzen!) unbequem enge Liegesitze hat, die die Füße abklemmen und mit 90 Euro auch noch teuerer daherkommt, als 'Willer'; aber ein anderes Ticket war bei der kaum Englisch sprechenden Schalterdame nicht zu haben.





Um 6.30 h erreiche ich 'Kyoto Station' und fahre mit einer Metrolinie nach Norden, wo ich fußläufig in 10 Minuten meine hübsche, kleine Unterkunft mit der roten Laterne vor der Tür erreiche und aufgrund akribischer 'Vorarbeit' am Stadtplan auch sofort finde
; )
Das 'Grateful' ist ein Platzwunder: Platz gibt es keinen - aber alles ist da !























Mein Vierbettzimmer mit Stockbetten misst 1,20 x 6,00 Meter und ich bin der einzige Gast - der Mikroinnenhofgarten hat einen Quadratmeter - die Toilette hat den Spülkastennachlauf als Handwaschbecken auf dem Spülkastendeckel - supereffizient und praktisch !!!
Die Duschzelle ist aus einem Kunststoffguss, aber komfortabel mit heißem Süßwasser - nach Indonesien ein völlig neues Erlebnis !




Ein hübsches kleines Aufenthaltsräumchen mit Bodensitzgelegenheiten dient als Esszimmer, Wifispot und Plauderstübchen für die Bewohner. Natürlich geht frau auf den Tatamimatten barfuß … - das ist für die enge Hühnerleiter zum Zimmer auch sicherer ; )
































Die nächsten drei Tage klappere ich zunächst das touristisch Nötige (Gion-Viertel, Higashiyama Hills mit verschiedenen Shrines und Temples, den gigantischen 'Fushimi Inari' mit 10.000 Säulen-Toriji, Nijo-jo Castle, sowie den 'Philosophenweg' mit 'Ginkakuji Temple') ab, wobei ich immer mehr entschleunige, um dann später das eher Erholsame zu sehen.










Ich probiere Macha-Eis und Macha Brötchen mit süßen roten Bohnen, nehme Interessantes am Wegesrande mit und finde mich immer besser zurecht.













In den Tempeln werden Wünsche auf Zetteln oder Tafeln hinterlassen … - natürlich gegen einen Geldbetrag. Am Montag ist hier ein Feiertag, weshalb viele Leute in Kimonos unterwegs sind.

















Der 'Silbertempel' ist nur für die Gartenanlagen berühmt, denn der Besitzer liebte die Schlichtheit der Gebäude, die von innen nicht zu besichtigen sind.





















Am dritten Verlängerungstag in Kyoto per knapp einstündiger Zugfahrt lande ich in Kurama und Kibune, das herrlich in den nördlichen Bergen gelegen ist.
Wieder über einen Tempelweg erlaufe ich von Kurama Station aus bis nach Kibune wandernd schöne Talblicke bei endlich blauem Himmel.























Schade, dass die Herbstfärbung noch nicht eingesetzt hat, denn es gibt neben Zedern viele Ahornbäume hier.
Der Tempel an sich ist wie viele andere, aber die Landschaft, in der er liegt, sowie das gute Wetter machen Laune.


















Einmalig sind die über dem Fluss auf Bambusplattformen gebauten überdachten Luxusrestaurans, die von Geschäftsleuten besucht werden. Ein Essen ist hier ab 5.500 Yen aufwärts zu haben.




Am 'Kifune Shrine' in Kibune werden glücksverheißende Sprüche auf 'Zauberpapier' verkauft.
Erst durch das Einlegen in Wasser wird der Spruch sichtbar und kann anschließend angebunden werden. Mit kindlichem Eifer werden hier Zettelchen gefaltet - fast schade, dass mir da wieder einmal der Glaube fehlt ; )